Findet Nemo
Was sie dir in 'Findet Nemo' nicht erzählt habenVerschwimmende Geschlechtergrenzen Unterwasser
Was sie dir in 'Findet Nemo' nicht erzählt habenWie war das doch gleich?
Ein heterosexuelles Clownfischpaar Cora und Marlin leben vergnügt in einer Anemone am Meeresgrund, als plötzlich ein gefährlicher Barracuda die Frau Cora verschlingt und dabei fast das gesamte Gelege zerstört. Ein einziges Ei bleibt unbeschadet und schlüpft: Nemo. Damit bleibt der Vater Marlin mit Nemo alleine zurück, Nemo wird aber kurz darauf wegen einer Mutprobe in der Fischschule von einem Tauchenden entführt und in ein Aquarium zur Belustigung von Patient*innen gesteckt, die Tragödie beginnt und der Vater Marlin sucht verzweifelt nach dem einzigen verbliebenen Sohn.
Was sie dir in 'Findet Nemo' nicht erzählt habenWas wirklich geschah:
Filmfehler? Vielleicht, wenn auch aus dramaturgischen Gründen vertretbar.
Aber richtig wild wird es gleich:
Die Mutter Cora stirbt, der Vater Marlin wird somit zur neuen Mutter, da er augenscheinlich das stärkste 'Männchen' im weiblichen Harem ist, Nemo schlüpft als 'Männchen' in der Seeanemone, wird zu Marlins Mann, da es keine Konkurrenz gibt und wenn sie nicht von Tauchenden entführt wurden, bleibt die Familie intakt.
Verrückt? Ja vielleicht ein bisschen. Evolutionär sinnvoll? Auf jeden Fall. Wirklich wahr? So passiert das tagtäglich auf dem Meeresgrund.
Der Falsche Clownfisch (Amphiprion ocellaris)
Was sie dir in 'Findet Nemo' nicht erzählt habenKaum zu glauben...
Die Natur ist vielfältig. Unfassbar vielfältig. So vielfältig, dass wir es uns gar nicht vorstellen können und deshalb bei neuen Erkenntnissen oft unsere eigenen Kategorien anpassen müssen. Dabei ist genau das der Kern von Wissenschaft: Neue Erkenntnisse sammeln, evaluieren, abgleichen und anschließend Hypothesen bestätigen, verwerfen oder anpassen.
Bei Nemo und Nemo's Elternteil handelt es sich um sogenannte "Falsche Clownfische" (Amphiprion ocellaris), die auch als "Orangeringel-Anemonenfisch" bekannt sind. Die soziale Ordnung stützt sich hierbei auf Größe, Rangfolge und ein wandelbares Geschlecht.
Was sie dir in 'Findet Nemo' nicht erzählt habenIst das euer Ernst?
Unterwasser werden unsere Kategorien auf den Kopf gestellt. Bei diesen putzigen Falschen Clownfischen bilden die zwei größten Clownfische im matriarchalischen Harem das Brutpaar. Da alle Falschen Clownfische männlich geboren werden, ist hierbei zumindest schon das 'Weibchen' des Brutpaars einer Geschlechtsumwandlung gefolgt. Die weitere Rangordnung bestimmt sich bei den verbleibenden 'Männchen' im Harem durch Größe, nicht durch Alter. Das wesentlich größere Brutpaar zeigt dabei ein solches Dominanzverhalten, dass sich dadurch die verbleibenden Männchen nicht weiter entwickeln und damit als so gut wie kastriert gelten.
Was sie dir in 'Findet Nemo' nicht erzählt haben»Fische […] zeichnen sich durch eine sexuelle Plastizität und Flexibilität aus, die im Reich der Wirbeltiere ihresgleichen sucht.«
Wenn nun also die dominante Matriarchin stirbt, wechselt das nächste rangniedere 'Männchen' das Geschlecht und wird zur neuen Matriarchin über das Gelege. Das nächstgrößere 'Männchen' rückt dann auf und es existiert wieder ein vollständiges Brutpaar in der Seeanemone. Sobald ein Individuum, wie hier der Falsche Clownfisch, das Geschlecht wechselt, bezeichnet die Wissenschaft diesen Prozess als sequentiellen Hermaphroditismus.
Ohne Autor*in. "Gender-bending-fish" . evolution.berkeley.edu. Abgerufen 04-08-2021.
In Studien konnte dabei nachgewiesen werden, dass sowohl unter Laborbedingungen, als auch in der freien Natur die Gehirne von manchen Knochenfischen zwei unterschiedliche Sexualverhalten entwickeln und steuern können.
Jonathan Balcombe. What a Fish Knows: The Inner Lives of Our Underwater Cousins; bei Scientific American / Farrar, Straus and Giroux, LLC. New York. 2014.
Stay tuned!
Was sie dir in 'Findet Nemo' nicht erzählt habenQuellen
Literatur:
Thavamani J. Pandian (2011); Sexuality in Fishes, Science Publishers: Enfield, New Hampshire.
Jonathan Balcombe (2014); What a Fish Knows: The Inner Lives of Our Underwater Cousins, Scientific American / Farrar, Straus and Giroux: New York.
Hans Fricke und Simone Fricke (1977); Monogamy and Sex Change by Aggressive Dominance in Coral Reef Fish, in: Nature 266 (1977), S. 830–32. https://doi.org/10.1038/266830a0